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...und es gibt sie doch - Geocacher ohne Grenzen






Zwei Wochen ist es nun schon her, dass 12 Elfen (Cacher) unserem Aufruf in die Elbe-Havel-Region gefolgt sind. Sie hatten einen Weg und ein Ziel: den Flutopfern in und um Schönhausen zu helfen.

Zwei Wochen sind nun vergangen, zwei Wochen in denen wir uns nach der Organisation mal eine Auszeit von allem erlaubt haben. Wir können das, die Leute vor Ort jedoch nicht! Leider.





Zeit für einen Rückblick:


Freitag:

Unsere Anreise ging latent chaotisch von statten – Chefs die keinen Urlaub gaben, nicht enden wollender Stau und eine komische Google-Navigation durch eine Region, wo der Solidaritätszuschlag sicherlich nicht ankam.

Es folgte eine lange Nacht der Anreise. Gonzo0815 war als erster vor Ort. Heiduane_Vonny und Denwit folgten gegen 23 Uhr. Irgendwann gegen 1.45 Uhr standen auch Patrick.Daddato und Tickety ein. Irgendwann im Laufe der Morgenstunden fanden auch die NE-Finders ihren Weg zu uns. Sie waren die ganze Nacht durchgefahren. (Dies sollte sich für NE-Finder-Papa noch rächen)

Samstag:

Morgens frühstückten wir in der Gemeinschaft und währenddessen gesellte sich auch die fleißige schedar1 aus Salzwedel zu uns. Sie schien sehr dankbar, denn wie auch wir wollte sie gerne seit Wochen helfen und war froh nun endlich einen konkreten Einsatzort zu haben. In der Kolonne ging es dann in das 20 Km entfernte Schönhausen.

Der Weg dorthin führte links-elbisch durch viele kleine und große wunderschöne Urlaubsorte, vorbei an einer blühenden, grünen Natur. „Echt schön hier“, schallte es durch das Auto. Es ging über die Elbbrücke und dann... dann wurde es still im Auto.


Aus den grünen Feldern wurde ein brau-grauer Teppich. Überall standen kleine Seen. Es roch nach „Hochwasser“ (dieser Geruch ist individuell und den werden wir wohl so schnell nicht vergessen).

Die Anwohner erzählten uns später, dass kurz bevor der Deich brach, es auch ganz still draußen war. Kein Tier, kein Vogel, keine Bäume die im Wind tanzten, nur Totenstille und dann kam das Wasser.


Treffpunkt Kirche, 10.30 Uhr.
Dort wartete Spamade zusammen mit Daniela (Tochter des Verbandsbürgermeisters) auf uns. Nach einiger Zeit kamen auch Stattler_MD und die Flachzangen dazu. Es gab sie also doch, die „Geocacher ohne Grenzen“, Leute die wie wir nicht wegsahen. Die sich über die Medien hinaus informierten und wussten, dass hier viele Menschen und die Natur jede Hilfe brauchen kann.

Aber so richtig Krisengebiet war eigentlich noch nicht zu sehen. Ein schöner Tag in einem schönen Dorf. Touristen, Nachbarn, eine Kirche in der Sonne, ein kleiner Kiosk an der Ecke.

Für Nachzügler hatte Daniela ein Schreiben und einen Plan mitgebracht. „Hallo liebe Geocacher & Helfer, Willkommen in Schönhausen! Vielen, vielen Dank für eure Hilfe... Wenn ihr uns sucht, ihr findet uns hier.“

In einer Stadtkarte hatte sie die Einsatzorte eingezeichnet.

Dann teilten wir uns in drei Gruppen auf und Daniela brachte jede Gruppe zu ihrem Einsatzort. Heiduane fasst es auf dem Heimweg in die richtigen Worte: „Am Ziel angekommen, haben wir die mitgebrachte Schippe in die Fresse bekommen.“

Vorbei der kleine Urlaubsort. Keine drei Straßenzüge weiter ein nicht enden wollendes Bild der Zerstörung. Berge von Existenzen. Die Straßenzüge gesäumt von Bauschutt, kaputtes Spielzeug, Kinderkleidung, Inventar.

Und Menschen, die unablässig trotz der brühenden Hitze Schubkarre um Schubkarre zerstörtes Hab & Gut aus den Häusern auf die Berge brachten. Wir wussten alle, dass es kein Spiel sein würde, kein normaler CITO – aber dieser Anblick eines kriegsähnlichen Gebietes, damit hatte wohl niemand so richtig gerechnet. Beziehungsweise, mit diesem Ausmaß umzugehen wenn man es in real sieht, ist schon eine Herausforderung für sich.

Schließlich hörte man in den Medien ja nichts mehr davon. Der Deich war zu und es schien alles in Ordnung zu sein. Liebe Leser, hier war und ist gar nichts in Ordnung. Und so krempelte die Truppe die Ärmel hoch und tat das, weswegen wir gekommen sind: Diesen Menschen helfen.



Gruppe 1 fand ihren Einsatzort beim Bauern Bleis. Er brauchte dringend Hilfe. Er kämpfte tagelang gegen das Hochwasser und verlor letztlich wie viele diesen Kampf. Sein eigens gebauter Wall brach. 301 Kühe konnte er evakuieren. 80 weitere standen schon bis zum Hals im Wasser bis er sie endlich in Sicherheit bringen konnte. Nun, da die Elbe zurück in ihr Bett gefunden hat, konnten die Kühe zurück. Aber das Wasser hat seine Spuren hinterlassen: Eine 20 cm dicke Mist- und Schlammschicht legte sich über die Äcker. Die Truppe legte zusammen mit zwei freiwilligen Helfern aus Magdeburg einen Teil des Ackers frei, damit die Kühe wieder nach draußen können. 


Sie versanken bis zum Anschlag mit ihren Gummistiefeln im Morast. Bei brühenden 32 Grad in der prallen Sonne schafften sie es Meter um Meter im Team den Acker zu befreien. Ein Knochenjob.










Gruppe 2
wurde in der „Märsche“ eingesetzt.

Hier stand ein Familienhaus noch immer zur Hälfte im Wasser. Der einst liebevoll gepflegte Garten ein Gülletümpel, die Garage noch immer ein Teich. Im Teich neues Leben – Fische, Frösche, die bald ihr Ende finden würden, wenn das restliche Wasser versickert ist. „Im Gartenzaun hing ein 50 cm großer Barsch. Gott sei Dank haben wir keinen Keller“, sagte der Besitzer. Die Gruppe konnte nur ahnen, wie hoch hier das Wasser gestanden haben muss. An der Hauswand konnte man es sehen. Eine grüne Schlammzeichnung etwa auf Kopfhöhe belegte das Ausmaß. Damit die Häuser trocknen können müssen sie entkernt werden. Und so ging es mit Vorschlaghammer und Brechstangen an die Arbeit. Fliesen aus dem Bad entfernen, Wände raus hauen und dank des mitgebrachten Hochdruckreinigers von Patrick konnte die Truppe der Schlammzeichnung an der weissen Hauswand zu Leibe rücken. Ebenfalls ein Knochenjob.










Gruppe 3 fand ihren Einsatz an einer Weide am Ortseingang.

Die „öffentliche Aufgabe“, das Erfüllen der Guidelines.

Die Weide, ein Güllesee. Der Weidenzaun ein Schandfleck, vom Hochwasser gezeichnet, mit Treibgut verklebt und zum Teil zerstört. Im Zaun und den kleinen Teichen darum endlos viele, tote Tiere. Wildschweine, Maulwürfe, Fellnasen, Skelette, halb verweste Körper – sie alle hatten keine Chance dem Hochwasser zu entkommen. Sie ertranken elendig. Es roch nach Tod und Verwesung.

Meter um Meter kämpfte sich die Truppe durch den Treibgutzaun. Mit den Spaten das getrocknete Treibgut zerschlagen, mit den bloßen Händen aus dem Zaun gezogen, auf Haufen gestapelt und diese mit Haken an die Straße geschoben, damit die Stadt sie abholen kann. Aus einem Haufen wurden zwei, wurden drei – wurden schlussendlich acht stinkende Haufen toter Natur. Ein stinkender Job.



Mittags gegen 13 Uhr gab es für alle Erbsensuppe aus der Kanone bei der Freiwilligen Feuerwehr. Der Weg dorthin führte durch eine komplett zerstörte Siedlung. Existenzberge soweit das Auge reichte. Überall waren Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr. Kameraden, die in voller Montur bei 32 Grad die Keller auspumpten und Häuser entkernten. Nachbarschaftshilfe war hier kaum möglich, hier war jeder betroffen und dennoch half man einander.

Bei Suppe zu essen war kaum möglich. Insekten die in der zerstörten Natur nichts mehr fanden stürzten sich auf die Erbsensuppe. Die Sonne brannte. Plötzlich fiel auf, dass einer fehlt. Marius von den NE-Finders. „Die haben ihn oben hingelegt, dem gings nicht gut“ - Schock. Es gab bereits vier tote Helfer und nun lag da einer von uns. Zum Glück „nur“, weil er die Nacht durchgefahren war, kaum geschlafen hatte und die Sonne ihr übriges tat. Aber so was kann auch anders ausgehen …

Vielleicht hatten wir das alles doch unterschätzt? Aber er und die Feuerwehr redeten der Orga gut zu und so hinterließen wir eine Nummer für den Notfall und fuhren mit mulmigem Gefühl zurück an die Einsatzorte.

Wenn man bedenkt, dass die Anwohner jeden Tag in der brühenden Hitze schaffen. Die können nicht einfach aufhören, sie müssen retten, was zu retten ist.




Gegen 16.30 Uhr waren Teile der Gruppe 2 und 3 mit ihren Arbeiten durch. Wir bildeten eine neue Gruppe und fanden unseren Einsatz in Kabelitz. Uns war bekannt, dass es dieses Nebendorf von Fischbeck mit am schlimmsten getroffen hat. In der Dorfstraße 31-41 fanden wir unseren Einsatz. Auch hier Berge von Inventar und Bauschutt vor dem Haus. Ärmel hoch und angepackt. Rausreißen, Keller leer räumen, Schutt vortragen. Irgendwann fiel Denwit auf, dass alle Häuser in der Straße normal aussehen. Keine Hochwasserspuren. Er und Heiduane unterhielten sich mit einem alten Mann, einem Anwohner: „Hier war gar kein Hochwasser. Einigen von uns lief ein wenig der Keller voll, aber Hochwasser hatten wir nicht. Da müsster nach Fischbeck fahren. Die hat es schwer getroffen, komplett abgesoffen die armen Leut´. Hier die Jungs, die haben während des Hochwassers das Haus günstig gekauft und werden es renovieren, weil es alt ist.“ Die Jungs sind fast durchgedreht. Von schwer getroffenen Familien zu jungen Leuten, denen Hilfe grade recht kommt. Kurzerhand packten wir unsere Sachen ein und machten uns nach zwei Stunden des helfens bei Renovierungsarbeiten auf den Weg zum Schlafplatz. „Ich hätte ihn am liebsten umgehauen...“, da waren sich wohl alle einig.

Spätestens an dieser Stelle war klar, dass die Guidelines zum Thema „Afterflood-Cito“ und die enge Zusammenarbeit mit Behörden Sinn macht.

Im Laufe des Abends kehrten alle fleißigen Elfen zum Schlafplatz zurück. Nach einer gründlichen Selbstreinigung ließen wir den Tag und die Eindrücke Revue passieren. Spamade, Daniela und Markus (privater Kontakt vor Ort) gesellten sich dazu. Bei hessischen Spezialitäten erzählte jeder, was er so erlebt hat.

Während die einen tote Tiere aus den Zäunen zogen, konnten andere erleben, wie das Leben neu beginnt. Es hängt eben alles sehr nah beieinander.

Alle waren froh, da gewesen zu sein und geholfen zu haben. Auch wenn klar war, dass dieser Einsatz nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen ist. Es gab noch so viel zu tun. Man müsste dort einziehen, damit für die Leute wieder Normalität einkehren kann. Es wird noch Wochen, ach was Monate dauern, bis diese Region die Folgen des Hochwassers bewältigt hat.

Alle waren etwas geschockt über die Tatsache, dass man nichts mehr in den Medien von den Zuständen vor Ort hört. Keine spektakulären Bilder mehr – Deich zu und vorbei. Dabei wäre grade jetzt eine Berichterstattung so wichtig, damit freiwillige Helfer in die Region fahren. Die örtlichen Hilfsorganisationen kommen langsam aber sicher an das Ende ihrer Kapazitäten. Kein Wunder – sind sie doch nun schon seit acht Wochen im Dauereinsatz. Und auch finanzielle Hilfe haben die wenigsten bzw. niemand vor Ort bisher bekommen. Alleine gelassen …vergessen.


Umso dankbarer waren alle Menschen dort, dass es Leute gibt, die vor so einer weiten Fahrt nicht zurückschrecken um zu helfen. Auch wenn man nur ein wenig helfen konnte, für die Seelen der Menschen drüben, für die Motivation nicht aufzugeben, obwohl es jeden Tag so aussichtslos erscheint, ist es super wichtig!





Aufruf

Werte Leser, liebe „Geocacher ohne Grenzen“,

wenn ihr Zeit und Kraft habt, fahrt in die Region, setzt euch mit den Behörden in Verbindung und helft den Menschen. Jeder Handschlag drüben wird dankend angenommen und ist ein kleiner Schritt zurück in die Normalität!
Und auch wenn seit unserem Einsatz bereits zwei Wochen vergangen sind, es ist nicht vorbei!

Die aktuellen Bilder von freiwilligen Helfern vor Ort zeigen das gleiche wie unsere Fotos!

CHAOS & ZERSTÖRUNG – und die Medien interessiert es nicht!





Schlussgedanken:

Abschließend möchten wir uns bei Daniela, Markus und Spamade für die Organisation vor Ort bedanken! Ohne euch wäre es nicht machbar gewesen. Gleiches gilt für jene, die unserem Aufruf gefolgt sind! Ihr seid super! Außerdem gilt unser Dank der Freiwilligen Feuerwehr Schönhausen, welche seit dem Hochwasser NON-STOP im Einsatz ist und sich nun u.a. um die Helfer vor Ort kümmert. Diesbzüglich geht ein besonderer Dank an Mr. Cache, die Kletter-Spezialeinheit (KSE), My Personal GeoCoin, Garmin Deutschland, Rotolog, Deine Dose und das Geocaching Magazin. Diese Shops haben ohne lange zu überlegen „Geocacher ohne Grenzen“ mit Sachspenden unterstützt und so konnten wir bei einer abendlichen Tombola knapp 300 Euro an Spenden sammeln. Dieses Geld ging ganz unbürokratisch an Frau Pick (Ehefrau der Vorsitzenden der FFW – Schönhausen) mit den Worten: „Sie werden wissen, was damit zu tun ist!“

Und auch wenn wir bei der Organisation Groundspeak und Anhalto so manches Mal wegen der Guidelines verflucht haben, kommen wir zu dem Entschluss, das macht schon alles Sinn. 
Das war kein Spiel, das war ein Einsatz im Krisengebiet am Menschen. Der jedoch, wenn er richtig geplant ist dankend angenommen wird. Was sie drüben gar nicht brauchen, sind Leute die zum Gaffen kommen – was jedoch noch immer gebraucht wird, ist Hilfe – und davon jede Menge.

Wir für unseren Teil werden wieder kommen.
Wann?
Werden wir sehen…
Aber ihr solltet eure Hilfe nicht von uns abhängig machen.





Ihr werdet jetzt gebraucht, an jedem Tag, an jedem Wochenende und nicht erst wenn „die Hesse komme“ und zum Helfen aufrufen!








Geocacher ohne Grenzen




Vonny



6 Beiträge hat Vonny schon geschrieben:
20.07.2013, 17:25 Uhr
31794 mal gelesen
http://gcffm.de/87.html



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